Quinta da Regaleira

25 km von Lissabon entfernt, entsteht Anfang des 20. Jahrhunderts der Garten Quinta da Regaleira. Zu dieser Zeit dient die Stadt Sintra der Lissabonner Upperclass als Sommerfrische. Hier genießt sie das kühlere Klima. Grundstückseigentümer Carvalho de Monteiro (António Augusto de Carvalho Monteiro Barão de Regaleira, war ein portugiesischer Unternehmer, Exzentriker, Kunstsammler und Freimaurer. Er gehörte zu den „Kaffeebaronen“ in Brasilien. Weltbekannt wurde er durch seinen Sitz, das von ihm selbst entworfene Schloss Quinta da Regaleira in Sintra, heute UNESCO-Welterbe) und der italienische Architekt und Bühnenbildner Luigi Manini verwandeln den Garten in einen Ort, der zum Träumen anregt und die Fantasie beflügelt.

Die ganze Stadt mitsamt dem vier Hektar großen Park zählt zum UNESCO-Welterbe. Die Komposition dieses Gartens erschließt sich einem nur schwer. Man hat das Gefühl, die Räume seien willkürlich angeordnet. Noch dazu betont durch verschlungene Wege.

Er erschließt sich dem Besucher, wenn man darin spazieren geht und bei jedem Schritt aufmerksam ist. Wenn man die Höhle passiert, steht man vor der Fassade der Kapelle. Etwas weiter hinten an einer Biegung entdeckt man ein Tor. Ein typisch portugiesisches Architektur Element aus der Zeit, Manuell des Ersten. Es führt in eine unterirdische Höhle. Wenn der Besucher sich jetzt wieder umdreht, sieht er eine alte Bank. Auf der anderen Seite fällt der Blick auf den Palast. Bei jedem Schritt erwartet den Besucher etwas anderes.

Dabei war Luigi Manini, der den Garten entworfen hat, gar kein Landschaftsgärtner. Luigi Manini absolvierte ein Studium an der Kunstakademie von Prera, war dann als Bühnenbildner an der Mailänder Scala tätig und kam ebenfalls wegen der Oper nach Lissabon. Bereits sehr früh in seiner beruflichen Laufbahn entwickelte er jedoch ein Interesse für Architektur und entwarf zunächst tolle Skizzen für fantastische Gebäude. Sein Entwurf für La Regaleira, war das letzte Projekt seiner Laufbahn, war für ihn die erste Gelegenheit, seine Ideen im großen Maßstab auf eine Landschaft anzuwenden.

Seine Arbeit wird als Collage Konzept betrachtet. Man findet also hier und da Ideen, die durch das Wegenetz verbunden sind. Man sieht das auch in seiner Architektur. Er holt sich Inspirationen, wo immer er sie bekommen kann. Sei es in der Oper oder in der Sonntagszeitung. Teilweise beeinflussen ihn auch seine Reisen. Wenn er etwas entwarf, nutzte er alles, was ihm geeignet erschien. Diese ungeheure Informations- und Ideengeschichte ist es auch, die diesen Garten so faszinierend macht.

Die von Montero und Manini begonnenen Arbeiten dauern zehn Jahre. Monteiro pflanzt einige seiner exotischen Lieblings Arten, vor allem Bromelien. Später wechselt das Gut regelmäßig den Besitzer. In den 1950er Jahren werden die exotischen Pflanzen durch einheimische Arten ersetzt, die bis heute in der Überzahl sind. Ende der 1990er Jahre kauft die Stadt Sintra das Gut. Sie überträgt Jared Lakers die Aufgabe, die Bepflanzung in den ursprünglich von Montero geplanten Stil zurückzuversetzen, so wie hier in der Götter Allee.

Vor zehn Jahren wurde der Garten komplett geräumt und mit Formschnitt Gehölzen bepflanzt. Doch das passte nicht besonders. Deshalb beauftragte man Jared Lakers, einen für Sintra typischen Garten des 19. Jahrhunderts wiederherzustellen. Diesen Stil findet man in vielen der historischen Gärten wieder, in denen er gearbeitet hat.

Die Vorgabe bestand in einem einzelnen Foto. Ein Bild aus der Zeit von Carvalho Monteiro. Es zeigte eine große Urne, die mit Bromelien bepflanzt war und die wir genau so reproduziert haben. Hinter den Bromelien wuchsen einige Baumfarne. Das war nur ein erster Hinweis. Nichts, wonach man etwas komplett rekonstruieren konnte.

Mit dieser Mischung oder wenn man so will Collage von Pflanzen bin ich sehr vertraut. Sie ist leicht umzusetzen. Diese Pflanzen gedeihen in Sintra sehr gut, sodass der Garten heute ein Selbstläufer ist. Er braucht nur wenig Pflege. Mit der Zeit entwickelt er immer mehr Charakter.

Der Garten besteht aus einer Abfolge von aufwendig aus geschmückten Theaterkulissen, die am Hang angelegt und durch gewundene Pfade miteinander verbunden sind. Zu diesen Kulissen gehören die Kapelle, die Gewächshäuser, die Villa und Türme, die mal mittelalterlich, mal gotisch anmuten. Quellen, Höhlen, Seen und Brunnen sind ebenfalls Bestandteile des Gartens. Er ist von einer Außenmauer umgeben, deren Zugangs Tore reich verziert sind. Nicht nur ober, sondern auch unterirdisch gibt es im Garten viel zu entdecken. Monteiro konzipiert ihn nach dem Vorbild mittelalterlicher Initiation Auswege.

Andere sehen hier sein Faible für den Mix verschiedener Epochen wie Antike, Mittelalter und Renaissance. Oder aber die Einflüsse der Freimaurer und der Alchemie, mit der Montero gern in seinem Palast experimentierte. Nichts wird dem Zufall überlassen. Von einer Szenerie zur nächsten will die phantastisch anmutende Komposition des Gartens mal beunruhigen, mal in Erstaunen versetzen, mal furchteinflößend oder in Frage stellen.

Man findet in diesem Garten eine Vielzahl spektakulärer Einflüsse. Zum einen heidnische Riten mit antiken Gottheiten, zum anderen die katholische Religion mit der Kapelle, die wir hier sehen. Es gibt aber auch neo gotische Elemente, vor allem bei den Statuen. Da fühlt man sich ein wenig in die Zeit des Mittelalters versetzt. Hinzu kommt dieser neo manuellische Einfluss, der typisch für Portugal ist. Hier findet man Elemente wieder, die in Zusammenhang mit den großen Seefahrern stehen Schiffe, Wellen, Delphine, Seeungeheuer. Es ist faszinierend, dies alles an einem Ort vereint zu finden.

Aber genau das macht Quinta da Regaleira leider für mich so einzigartig. Hier vermischen sich verschiedenste Kunstformen, wobei die Natur immer präsent bleibt. Quinta da Regaleira ist gleichsam eine Mischung aus Oper und Kino, in der die Besucher nicht stillsitzen müssen, sondern sich zwischen den verschiedenen dreidimensionalen Bühnen umher bewegen. Der Garten als ein mythischer Ort, in dem man sich auf eine Reise begibt. Während dieser Reise entdeckt man sich selbst, aber auch die Natur, den Kosmos. Sie führt uns durch die Welt der Dinge, offenbart uns eine große botanische und biologische Vielfalt. Und doch Eine Menge von architektonischen Kunstwerken.

Monteiro und Manini deklinieren das Konzept der Dualität durch Mensch und Gott. Erde und Wasser, Dunkelheit und Licht, Himmel und Erde. Der Philosoph Joao Luis Suzanno kennt alle Rätsel des Gartens. Das Geheimnis des sogenannten Initiationsbrunnens gehört zu den rätselhaftesten. Was wollte uns Montero mit diesem gigantischen Bauwerk sagen?

Also man ist sich mehr oder weniger einig, dass hier ein Initiationsweg dargestellt wird, wie man ihn in allen Gärten seit der italienischen Renaissance findet. Hier ist die Komposition jedoch besonders eindrucksvoll. Ihren Höhepunkt hat sie in dieser Konstruktion, die 27 Meter hoch oder tief ist, je nachdem, von welchem Blickpunkt aus man sie betrachtet. In der göttlichen Komödie stellt sie eine Art Abstieg in die Hölle dar oder eine Himmelfahrt. Wenn man von unten bis ganz nach oben steigt, wo man mit einer fantastischen Aussicht auf die Landschaft belohnt wird, da ist das Wesen des Initiationsweges eindeutig präsent.

Eins ist aber seltsam, Angst ist ein Gefühl, das man in einem Garten eher selten hat. Hier wird mir schwindlig und ich weiß nicht, ob ich bis ganz nach unten steigen möchte. Das ist unüblich.

Es ist vielleicht in anderen Gärten nicht üblich, aber es fügt sich ganz logisch in das Konzept des Initiationsweges ein. Schließlich beginnt jeder Initiationsweges mit einer gewissen Verunsicherung, einer Fragestellung oder einer Angst. Das ist immer etwas, das in jedem von uns ein Gefühl der Verlassenheit, der Unvollständigkeit auslöst. Und da ist dieses Gefühl regt dann auch zum Handeln an. Irgendwann muss man seine Ängste überwinden, eine Schwelle überschreiten. Diese kann durch ein Tor oder die Statue eines Ungeheuers dargestellt werden, aber auch durch etwas in der Natur, dass eine Schwelle darstellen kann. Wenn man sie überschritten hat, wird man so wie hier mit der Dunkelheit konfrontiert. Sie steht symbolisch für die eigene dunkle Seite, für die Anteile des wahren Ichs, die man nicht kennt. Danach gibt es kein Zurück mehr. Man muss den Weg weitergehen, bis man den Ausgang zum Licht findet.

139 Stufen wurden in einen Granit Felsen gehauen. Es gibt neun Etagen, die an die neun Kreise der Hölle. Die neun Teile des Fegefeuers und die neuen Himmel Sphären des Paradieses erinnern. Der Initiationsbrunnen ist mit 250 Meter unterirdischen Gängen verbunden, so als würde der Garten unter der Erde fortgeführt. Dieses Labyrinth symbolisiert sowohl die innere Suche als auch Lebenswege, die uns vor Entscheidungen stellen. Der falsche Weg führt uns in die Irre. Der Richtige zeigt uns den Ausweg. Die Bedeutung geht noch ein Stück weiter.

Wir kommen zurück ans Licht und durchqueren zugleich das Wasser. Das ist eine alchemistische Metapher. Sie steht für die Kunst, sich selbst zu verwandeln, das eigene Chaos, die eigenen Ängste und Befürchtungen zu bearbeiten und alles wieder in Ordnung zu bringen. Durch verschiedene Schritte der Auflösung und Zusammensetzung oder um es mit den Worten der Alchimisten zu sagen: Solve et Coagula. Hier haben wir den letzten Schritt erreicht.

Wir sind also im Begriff, uns zu verwandeln. Wir haben einen Prozess der Innenschau durchlaufen. Wir hatten Angst, uns war schwindlig. Es gab lange Momente des Schweigens in den Stollen. Die Kraft des Gartens hat ihr Werk getan und uns verändert.

Sobald wir das Wasser durchquert haben, haben wir die menschliche Ebene verlassen und eine jenseitige Ebene erreicht. Wie die Götter. Damit vollendet sich der Initiationsweg und man erkennt, dass einen nichts vom Universum trennt. Das Universum und wir sind eins.

Die Bromelien mit ihren ausgesprochen dekorativen tropischen Blüten und die Szene mit dem Wasserfall erinnern an Montero Geburtsland Brasilien. Um die Bromelien in Sintra zu akklimatisieren, ließ Montero von Manini ein Gewächshaus bauen. Das einzige Bauwerk des Gartens, das nach Süden ausgerichtet ist.

Virginia ist Gärtnerin in Quinta da Regaleira. Ich komme regelmäßig hierher, weil ich mich an diesem Ort geborgen fühle ich mich hier verbringe ich gern einige Stunden allein, umgeben von dieser herrlichen Kulisse. Ich fühle mich sehr wohl und spüre eine ganz besondere Energie, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Das ist wirklich eine Besonderheit dieses Ortes. Die Quinta mit ihrer Umgebung ist einzigartig. Diese Mischung aus Natur und Kulturerbe, eine Natur, die voller Leben steckt. Und man hat das Gefühl, dass sie einen umarmt.

Natürlich bleibt die Poesie auch in der heutigen Zeit präsent. Aber sicher sind die Empfindungen dafür von Mensch zu Mensch verschieden. Jeder deutet die Realität auf seine Weise. Dieses tiefe Eintauchen in die imaginäre Welt ist sehr belebend. In dieser Hinsicht ist der Garten ausgesprochen zeitlos. Nur heute sehen wir hier einen Garten in voller Blüte. Der große biologische und botanische Reichtum trägt dazu bei, ihn als einen dynamischen und lebendigen Ort wahrzunehmen.

Der Besucher begibt sich auf eine Reise in sein Inneres und kommt auf diese Weise dem eigenen Ich noch etwas näher.

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