Besessenheit (Possesio)
Besessenheit gibt es wirklich und ist keine mittelalterliche Erfindung
Bereits in alten Zeiten und allen Kulturen war das Phänomen der Besessenheit bestens bekannt und Bestandteil des spirituellen Weltbildes. Dabei unterschieden sich die Praktiken du Methoden, betroffenen Menschen zu helfen.
In der Objektivität der heutigen Wissenschaft hat dieses Weltbild jedoch nur kaum Einzug gefunden. Es gibt zwar Beschreibungen wie „Psychose“, „Multiple Persönlichkeit“, u.a. für psychische Krankheitszustände.
- Doch was genau ist eine Psychose und durch was wird diese verursacht?
- Sind das generell nur „irrationalen Wahrnehmungen“ und „Halluzinationen“?
- Wie sehen die Behandlungsweisen und Heilungserfolge mit klassischer Psychiatrie in Wirklichkeit aus?
- Ist das Phänomen der „Besessenheit“ nur eine Frage des Weltbildes?
- Liegt die Lösung in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Psychiatern, Seelsorgern und Menschen, die in der Seelenerlösungsarbeit tätig sind?
„Wenn wirkliches Neuland betreten wird, kann es vorkommen,
dass nicht nur neue Inhalte aufzunehmen sind,
sondern dass auch die Struktur des Denkens sich ändern muss,
wenn man das Neue verstehen will.“
Werner Heisenberg
Eine Definition von Besessenheit
Durch „Besessenheit“ erklären Spiritisten wie auch christliche Kirchen Krankheitsbilder als Wirkungen körperloser Wesenheiten: Sei es von „Gottheiten“, Dämonen, Verstorbenen oder unpersönlichen psychischen Elementen, bisweilen sogar von lebenden Menschen und selbst von Tieren. Diese Wesenheiten sollen von ihrem Opfer Besitz ergreifen, in ihm „wohnen“, durch ihn sprechen und handeln, seine Persönlichkeit zeitweilig oder auf Dauer zurückdrängen können. Die Besessenheit bezeichnet also einen ausgeprägten Erregungszustand, der als „Inbesitznahme“ der betroffenen Person durch ein Fremdwesen gedeutet wird. Die Verhaltensänderung der Person wird somit auf das Eindringen eines externen „Wesens“ zurückgeführt.
Häufig gehen Besessenheiten zunächst eine „Umlagerung“ (lat. circumsessio) voraus, während derer die Betroffenen durch Spukvorgänge und fremde Stimmen, scheinbar aus dem Nichts, geängstigt werden. Handfestere „Belästigungen“ (lat. infestatio) schließen sich manchmal an: Die Opfer fühlen sich körperlich attackiert, verletzt und geschwächt. Verschiedene Formen des Mediumismus, bei denen ein „herbeigerufener“ Geist zeitweilig „inkorporiert“ wird, sind mit Besessenheit verwandt. Allerdings sind erfahrene Medien gewöhnlich imstande, Zeitpunkt, Dauer und Verlauf einer solchen „Besetzung“ zu steuern, ohne bleibenden psychischen Schaden zu nehmen.
In der internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO (ICD 10) wurde auch der Begriff der Besessenheit wiedereingeführt:
F44.3 Trance- und Besessenheitszustände
Bei diesen Störungen tritt ein zeitweiliger Verlust der persönlichen Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung auf; in einigen Fällen verhält sich der Mensch so, als ob er von einer anderen Persönlichkeit, einem Geist, einer Gottheit oder einer „Kraft“ beherrscht wird.
Hier sind nur Trancezustände zu klassifizieren, die unfreiwillig oder ungewollt sind und die außerhalb von religiösen oder kulturell akzeptierten Situationen auftreten.
Differenzierung
Was unterscheidet „echte“ Besessenheit von psychischen Störungen, als welche sie die moderne Psychiatrie mit Begriffen wie „Hysterie“, „Schizophrenie“, „Paranoia“ oder „Multiple Persönlichkeit“ beschreibt? In ihrem Rituale Romanum von 1614 nannte die katholische Kirche vor allem drei Kennzeichen: „Ein wirklich Besessener kann
- mehrere Wörter in einer ihm fremden Sprache sprechen oder jemanden verstehen, der sie spricht;
- Entferntes und Verborgenes offenbaren; und
- Kräfte zeigen, die über sein Alter und seine körperliche Konstitution hinausgehen.“
Weitere Hinweise auf Besessenheit
- das Unterscheiden geweihter Gegenstände von ungeweihten
- krankhafter Selbstzerstörungstrieb
- das unerklärliche Verbreiten von bestialischem Gestank
- Schweben (Levitation)
- eine Abscheu vor geweihten Personen und Gegenständen
- permanentes Fluchen
- das Hervortreten klar unterscheidbarer „Persönlichkeiten“ oder „Dämonen“, von denen der Betroffene besessen ist.
- Außerdem kommt es zu Spukvorfällen.
Wie versucht die katholischen Kirche Besessenen zu helfen?
Sind die Voraussetzungen erfüllt, können Kirchenobere einem Exorzismus zustimmen (von griech. ex-orkizein; Dämonen abwehren). Damit stehen sie fest in der biblischen Tradition: Schon Jesus Christus half Kranken auf diese Weise, wie mehrere Stellen im Neuen Testament belegen (siehe z.B. Markus 1, 23-28 und 32-34). Der Taufritus und bestimmte Weihen weisen bis heute exorzistische Züge auf.
In der katholischen Kirche wie auch in Freikirchen werden jenseitige Belästiger pauschal als „Teufel“ und „Dämonen“ bezeichnet. Diese Dämonen müssen aus der Sicht der Kirche gewaltsam ausgetrieben werden. Ihr Mittel dazu ist der kirchliche Exorzismus. Der aktuelle Papst hat diese Tradition neu belebt. Im Jahr 2005 hat er einen Sonderkurs zur Ausbildung in Exorzismus an der Vatikanischen Universität einberufen.
Diese Art von Dämonenbefreiung wird vor allem bei deutschsprachigen Theologen abgelehnt. Als Gegenpol entstand die „Liturgie zur Befreiung vom Bösen“, wobei sie auf exorzistische Handlungen verzichten und sich auf Seelsorge und Gebet beschränken. Es wird immer wieder der tragische Fall von Anneliese Michel erwähnt, die nach erfolglosen, mehrmonatigen Exorzismen 1976 in der fränkischen Kleinstadt Klingenberg verstarb. Der Fall von Anneliese diente auch als Vorlage von im Jahr 2005 erschienen Spielfilm „The Exorcism of Emilie Rose“. Und im Frühjahr 2006 erschien ein deutscher Film „Requiem“ über diesen letzten offiziell von der katholischen Kirche genehmigten Exorzismus in Deutschland.
Meines Erachtens vergisst die Kirche bei ihren exorzistischen Bemühungen gegen „Teufel und Dämonen“, dass selbst in der Bibel vornehmlich „Geist“ steht und nicht „Dämon und Teufel“, wenn Jesus austreibt:
„Jesus gab seinen 12 Jüngern Macht über die unsauberen Geister, dass sie dieselben austrieben“ Matth.10.1.
„Die von unsauberen Geistern umgetrieben wurden“ Luk.6.18
„…also dass….die bösen Geister von ihnen ausfuhren.“ Apostel-Geschichte 19.12
Daher kann angenommen werden, dass es sich bereits schon in der Bibel vorwiegend um erdgebundene Geister handelte, die ausgetrieben wurden.
Die Kirche behandelt aber in den Exorzismen diese Unglückseligen immer noch wie „Teufel“, was meiner Vorstellung christlicher Nächstenliebe nicht entspricht. Da ich selber keine Erfahrung mit kirchlichem Exorzismus habe, kann ich über die effektiven Heilungsmöglichkeiten der Betroffenen keine Auskunft geben
Andere Formen der Hilfe für „Besessene“
Die kirchliche Form der „Austreibung“ ist keineswegs der einzige Weg, mit einem spiritistischen Ansatz Kranken zu helfen, bei denen die Schulmedizin versagt. Bei den wenigen Ärzten und Psychotherapeuten in Westeuropa, die mit exorzistischen Mitteln arbeiten, überwiegt eine verständnisvolle, empathische Einstellung gegenüber dem besessen machenden Geist. Während katholische Priester, mit bischöflicher Erlaubnis, von vornherein pauschal böse Dämonen oder gar den Teufel persönlich am Werk sehen, die sie mit Flüchen und wüsten Beschimpfungen zu bannen versuchen, halten Spiritisten die aufsässigen Geister eher für aufklärungsbedürftig – zumal wenn es sich um Seelen von Verstorbenen handelt. „Austreibung“ wird dann zur geduldigen, therapeutischen Überzeugungsarbeit: Die verirrte, „erdgebundene Seele“, die sich nach dem Tod ihres eigenen Körpers nicht von dieser Welt lösen konnte, soll über ihre wahre Bestimmung aufgeklärt und zum freiwilligen Weitergehen ermutigt werden („ins Licht“). Diese Art der Hilfe (mediumistisches Heilen) wirkt vorallem bei Fällen von Umsessenheit.